Mit diesem Bericht möchte ich Euch ein paar meine Erlebnisse und Eindrücke von meiner Motorradsaison 2017 in Großbritannien zukommen lassen.
Nachdem sich eine Jobgelegenheit für mich für ein Jahr in England ergeben hat, dachte ich mir es kann nicht schaden mein Motorrad auf die Insel zu holen, um an den Wochenenden in der Gegend rumzutuckern.
Gesagt getan, so habe ich eine Überstellung mit der Unterstützung der Bahn und der Fähre nach meinem Osterurlaub in Österreich umgesetzt. Zuerst ging es am Rad von Graz nach Wien, dann weiter mit dem Nachtreisezug nach Düsseldorf. Die Abladung am Düsseldorfer Bahnhof hat mehr als eine Stunde gedauert und dies hat meinen Zeitplan ziemlich gestresst. Zum Glück hatte ich einen vollen Tank mit möglicher Reichweite von 500 km (geile KTM Super Adventure), jedoch bei Geschwindigkeiten leicht über 130 km/h und mit vollem Gepäck eher nicht mehr so zu erwarten. So hatte ich die Herausforderung mehr als 410 km von Düsseldorf Bahnhof bei Morgenverkehr unter 4 Stunden nach Calais zu meistern, damit ich die vorgebuchte Fähre noch rechtzeitig erwische. Eine Pinkel- oder Trinkpause war negativ, auch ein Tankstopp hätte zu viel Zeit verschwendet. So war die Reichweitenanzeige mein Geschwindigkeitsbegrenzer. Mit 0km Reichweite seit 30 km und 3 min vor Abfahrt der Fähre bin ich gerade noch „in-time“ angekommen. Auf der 1½ Stunden Fährenfahrt wieder etwas erholt und gestärkt, bin ich dann in Dover als erstes recht vorsichtig zur nächsten Tankstelle gerollt. Schnell mal 29,3 Liter nachgetankt, die Geschwindigkeitsanzeige auf Meilen umgestellt, ging es mal über den Motorway weiter Richtung London. Nach 25 Stunden Reisezeit, 1.700 km gesamt, davon 950 km am Bike, bin ich in meiner Wahlheimat Royal Leamington Spa angekommen.
Das Parken auf der Straße über Nacht und über eine längere Zeit ist nicht besonders ratsam, besonders in Großstädten der UK sind Motorräder eine beliebte Beute. Das tolle war, dass es ein lokales Parkhaus in 8 min Gehzeit von meiner Unterkunft gab, dass für Motorräder kostenfrei zu parken erlaubt war und zudem von einem Parkwächter besetzt war, was mir ein ruhiges Gefühl zum Schlafen gab.
Für mich war es schon der zweite Aufenthalt in UK mit dem Bike, dadurch war das Linksfahren diesmal nicht mehr so gewöhnungsbedürftig, aber dennoch bei Stopps auf der falschen Seite und bei Losfahren mit wenig Verkehr ist es sehr rasch passiert auf die gewohnte rechte Seite zu pendeln. Aufpassen und mitdenken ist gefragt!
Nun, wie ist das Motorradfahren in England so? Zuallererst eine Motorradausfahrt nach Wettervorhersage zu planen ist meistens umsonst. Wenn der Wetterbericht im ganzen Land Regen und Sturm vorhersagt, dann kann man es meist glauben. Ansonsten ist hier immer alles möglich. Das Wetter ändert sehr rasch, wenn es zu schütten begonnen hat, einfach eine Kaffeepause machen, nach einer halben Stunde war meist auch schon wieder die Sonne da. Bei schönen Wetter ist die Landschaft wirklich herrlich und schön. Die Abfahrt von Leamington war ein toller Ausgangspunkt für viele Sternfahrten. Wer allerdings in England nach Kurvenpassagen sucht, wird selten fündig werden. Serpentinen gibt es im Schnitt nur alle 300 mi zu durchfahren. Die Hauptrouten mit ewigen Geraden sind mega langweilig und da freut man sich schon auf einen Kreisverkehr, um zwischendurch etwas in die Schräglage zu kommen. Wer sich jedoch bei der Planung mehr an die Seitenstraßen hält, wird gemütliche Kurven mit hügeligem Verlauf finden. Doch Vorsicht, obwohl die Engländer eher defensive Autofahrer und Schleicher sind, Kurvenschneiden können sie extrem gut und schauen dich dabei auch noch deppert an. Manchmal waren die Straßen auch so eng, an den Seiten meterhohes Gebüsch, dass mit dem Bike am entgegenkommenden Auto nicht vorbei gekommen bist und Auto rückwärts zu einer Ausweichstelle fahren musste, damit ich mit dem Motorrad vorbeikam. Obwohl es alle 2 Meilen ein Radarkasterl gibt, ist zumindest die Polizei kaum auf den Straßen zu sehen. Einmal musste ich ein viel zu langsam fahrendes Auto über die Doppellinie überholen, sonst wäre mein Motor abgestorben und ein Polizeiauto ist mir dabei entgegen gekommen, dass ich dachte, das wird nun teuer, aber es hat die gar nicht gekümmert und nur den Kopf geschüttelt. Die Strafen für Überschreitungen sind aber sehr hoch. Manche Biker in England demontieren das Kennzeichen einfach, wenn sie schnell fahren wollen. Das Fahren ohne Kennzeichen kostet nur £25.
Richtig schöne Gegenden zum Biken sind in Wales, Somerset und oder in Cornwall. Vor allem in Wales hat man teilweise bei den Nadelwäldern das Gefühl irgendwo im Süden Österreichs unterwegs zu sein und der „Brecon National Park“ ähnelt wie der Glocknerstraße im oberen Bereich, aber Höhenangst bei 1.200 ft bekommt man dort aber nicht. Auch der Norden Englands, der Beginn der Highlands im „Lake District“ oder „Peak District“ richtig schöne Gegenden und es gibt da sogar eine Straße mit 30% Steigung. Eine Pilgerstätte für die Briten auf diesem ein paar Hundert Meter langen Stück. Der Osten Englands, die richtigen Lowlands Englands sind richtig fad zu fahren und lieber zu meiden.
Interessant war für mich, dass auf den Straßen im Vergleich zu Österreich sehr wenig Biker zu sehen waren, aber so alle 50 bis 100 km sind Tankstellen, Cafés oder einfach Parkplätze mit Würstelständen beliebte Biker Treffpunkte und dort sind dann alle anwesend. Die Bikes sind blitzblank sauber, die Leder gewachst, die Damen geschminkt und die Herren auch mal mit Elvis Locke gestylt. Schnell mal einen Filterkaffee für £1 geholt und dann setzt man sich mitten rein. Der Sitznachbar an der Steinmauer, der sich gerade eine Zigarette rollt, kommt gleich mit ein „How‘ you doing?“ und ein Gespräch ist schon angefangen. Alle Biker sind sehr nett, sehr hilfsbereit Tipps zu geben und laden dich auch gleich ein bei seiner Runde mitzufahren. So habe ich auch eine nette Partie aus dem „Peak District“ in Manchester beim McDonalds kennen gelernt, die mir dann die Gegend und mir das tolle „Oil Can Café“ gezeigt haben und für einen anderen Zeitpunkt zu einer Schottlandtour eingeladen haben mit zu kommen. Ich konnte zwar nicht die gesamte Tour aus zeitlichen Gründen teilnehmen, aber ich bin ihnen entgegengefahren und habe sie den letzten Teil der Tour begleitet.
Hin und wieder trifft man an den Kreisverkehren an einem Mitbewerber mit Hayabusa oder Supersportler, der wissen will, wie weit die Konkurrenz mithält. Im Vertrauen, dass der Vordermann weiß welche Radarkästen am Straßenrand aktiv sind, hängt man sich am Hinterrad des Anderen an. Man jumpt so von Kreisverkehr zu Kreisverkehr mit Beschleunigungsrennen hinaus. Es werden auch schon mal die Autos nicht so legal in der Mitte überholt. Wenn dann einer von beiden an einem Kreisverkehr eine andere Ausfahrt fährt, dann wird freundlich mit dem Daumen nach oben verabschiedet und weiter geht die Reise im Benzinsparmodus.
Das Grüßen ist auch eine interessante Sache in UK, nachdem die rechte Hand am Gasgriff gebraucht wird, wird entweder mit dem Fuß oder mit dem Kopf nach rechts kippend gegrüßt.
Die Autofahrer sind unterschiedlich eingestellt, sehr viele machen an den Kreisverkehren oder an den Kreuzungen Platz und andere wieder zeigen dir die Faust und schneiden dir den Weg ab. Auf den Landstraßen ist sehr oft Kolonnenfahrt angesagt, weil ein LKW, Wohnwagen oder nur ein Sonntagsfahrer den Spaß anderer Leute beim Fahren zerstören möchte. Da hat man aber mit dem Bike ein leichtes Spiel. Mit der richtigen Geschwindigkeit, kann man mit dem Gegenverkehr einen guten Überholrhythmus erzeugen und ein Weiterkommen sichern.
An den Wochenenden ist in England immer irgendwo etwas los, wie ein Oltimertreffen oder auch irgendwelche Rennen an unzähligen Rennstrecken. Auch unter der Woche gibt es immer wieder Treffen, wie das „Bassetts Pole Bike Meet“ jeden Dienstagabend in der Nähe von Birmingham. Einfach mit dem Bike hinfahren und mit den Leuten reden, es ist einfach jeder herzlich willkommen der sich für Bikes interessiert. Oder in Whichford wird an jeden 3. Donnerstag des Monats ein Treffen von Traktor über Bikes bis zu Supersportwagen veranstaltet. Auch in London im legendären Ace Café ist immer etwas los. Wirklich der Hammer!
Natürlich hat auch alles wieder sein Ende. So habe ich mich entschlossen mit Anfang Oktober die Reise mit dem Bike zurück nach Hause zu planen, bevor es zu kalt wird. Ich habe mir eine 6 ½ Tagestour mit etwa 2.700km von England nach Hause ausgedacht. Zuerst mit dem Eurotunnel nach Calais, von dort bin ich dann das Grenzgebiet von Frankreich und Belgien entlang nach und durch Luxemburg. Landschaftlich war es recht schön, aber es war recht kalt, nass und ziemlich rutschig wegen dem Laub auf der Straße, was die Fahrfreude eher eingeschränkt hat. In der Eifel hat das Wetter begonnen zunehmend schöner zu werden und brachte den Fahrspaß wieder zurück. Bin dann weiter über die Panoramastraße des Schwarzwalds in die Schweiz gefahren. Ein richtig schönes Stück. Beim Bodensee vorbei ging es dann durch den Bregenzer Wald ins Allgäuer Gebiet. Weiter durch Bayern immer Richtung Österreich. Kaum über die Grenze bei Oberndorf in Salzburg gekommen, stand auch schon der erste Polizist mit der Radarpistole in der Hand und dachte: „Ja, jetzt bist du wieder zu Hause!“. Bei den Seen des Salzkammerguts vorbei in die Steiermark. Über Trieben und übers Gaberl freute ich mich am meisten darüber, wieder die frische Luft an den Bergen der Heimat zu genießen.
Zusammenfassend kann ich sagen, es war eine tolle Erfahrung und ich war froh mich dazu entschieden zu haben das Bike nach England zu holen. Ich habe tolle Leute dabei getroffen und bin bei meinen heurigen 10.000km sehr viele neue Straßen gefahren. Eines habe ich extrem gemerkt, dass meine KTM sich auf flachen Straßen nicht wohlfühlt und die Berge vermisst hat. So freue ich mich nun schon auf die nächste Saison wieder mit Serpentinen und mit euch gemeinsam zu touren.
Falls jemand Interesse hat eine Tour nach UK zu planen, der kann sich gerne Tipps bei mir holen.
RIG, Euer Baerli
Lake District
Blackpool
Sommerset
Bikerpoint nahe Ironbridge
Ironbridge
Bassets Pole Meet
ACE Cafe London
Dumfries Schottland
England
Falsche Straßenseite
Wales